Mit Kunststoff die Zukunft formen
Seit 150 Jahren gibt es Kunststoffe, seit 100 Jahren ersetzen sie natürliche Rohmaterialien, seit 60 Jahren erobern sie die Welt. Heute gibt es ein Multiversum an unterschiedlichen Kunststoffen für viele Zwecke, manche Produkte könnte man anders als aus Kunststoff gar nicht herstellen. Nach dieser extrem kurzen Geschichte geht die Entwicklung ungebremst weiter. Täglich eröffnen neue Innovationen ungeahnte zukünftige Möglichkeiten. Sie zu realisieren, ist die ebenso spannende wie lohnende Aufgabe neuer Generationen von Kunststofftechnologen aus vielen unterschiedlichen Fachbereichen. Was es braucht, sind junge Menschen ohne Scheu vor dem aktuell noch Unmöglichen, dafür mit Phantasie und kreativer Energie.
Eine Welt aus Kunststoff
Beeindruckend ist die Fülle an Produkten, die heute aus Polymeren hergestellt werden. In vielen Fällen haben Kunststoffe andere Materialien als häufigste Werkstoffe abgelöst, weil sie im Vergleich zu diesen kostengünstiger, einfacher zu verarbeiten oder sogar funktional überlegen sind. Einfaches Beispiel: Natürlich gibt es auch heute noch Zitruspressen aus Glas, Keramik oder Edelstahl zu kaufen. Allerdings kosten diese ein Vielfaches von solchen aus Kunststoff. Nicht weil sie sich besser zum Auspressen von Orangen, Grapefruit oder Zitronen eignen, sondern weil sie in den heute oft zum Wohnzimmer hin offenen Küchen eine dekorative Funktion als ‚Designerstück‘ erfüllen.
Ihren Preisvorteil verdanken Kunststoffprodukte zwei voneinander grundsätzlich unabhängigen Faktoren: Erstens können viele davon aus dem Benzinvorprodukt Naphta erzeugt werden, das die Ölmultis in Raffinerien großtechnisch und daher kostengünstig aus Erdöl gewinnen. Der Aufwand für die Kunststofferzeugung aus Erdöl ist bedeutend geringer als z. B. der für die Gewinnung von Metallen aus Erzen. Zweitens ist bei den meisten formgebenden Verfahren in der Kunststoffverarbeitung – vom Spritzgießen über das Tiefziehen oder Blasformen bis zum 3D-Druck – der Materialverbrauch nur unwesentlich höher als das Volumen des produzierten Teils. Bei spanabhebenden Fertigungsverfahren in der Metallbearbeitung wie Drehen, Fräsen oder Schleifen werden oft große Teile des Rohlings entfernt, um die gewünschte Form zu erhalten. Im Gegensatz dazu entsteht bei der Kunststoffverarbeitung kaum Abfall.
Gesellschaft durch Kunststoff verändert
Viele Produkte lassen sich aus diesen Gründen wesentlich günstiger aus Kunststoff herstellen, als das unter Verwendung traditioneller Materialien und Produktionsprozesse möglich wäre. Das hat auch dazu geführt, dass sich viele Menschen heute Dinge leisten können, die vor dem Siegeszug der Kunststofftechnologie für sie unerschwinglich gewesen wären.
Dazu kommt noch, dass manche Produkte früher aus seltenen oder besonders aufwändig zu gewinnenden Rohstoffen hergestellt wurden. Seidenstrümpfe waren ein echtes Luxusgut, während heutige Strumpfhosen aus Kunststoff für wenige Euros zu haben sind. Sogar unzerreißbare Strümpfe kosten nicht annähernd so viel wie ihr Vorgängerprodukt, das aus den Verpuppungsfäden einer kleinen Raupe gemacht wurde.
Dies ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie Kunststoffe die Gesellschaft selbst verändert haben, indem sie Produkte und das zugehörige Nutzungsverhalten für breite Kreise der Bevölkerung erreichbar machte, die zuvor nur wenigen zugänglich waren. Es zeigt, wie engagierte Menschen mithilfe der Kunststofftechnologie weit über den direkten Produktnutzen hinaus zu positiven Veränderungen beitragen können.
Eine Welt aus Kunststoff
Dass sich die meisten Kunststoffe mit verhältnismäßig geringem Aufwand in eine beinahe beliebige dreidimensionale Form bringen lassen, hat nicht nur viele frühere Beschränkungen bei der Gestaltung von Gegenständen beseitigt. Zahlreiche Produkte sind entstanden, die auf andere Weise überhaupt nicht herzustellen wären.
Ein sehr einfaches Beispiel dafür ist die PET-Flasche. Sie hat sich für viele Flüssigkeiten in Haushaltsgrößen gegenüber anderen Behältern durchgesetzt. Einerseits, weil sie extrem dünnwandig und leicht ist und damit den Transportaufwand verringert. Andererseits aber auch, weil sie nicht auf Vorrat produziert werden muss, sondern bedarfsweise direkt an der Abfüllanlage entstehen kann, bedarfsgerecht synchron zum Abfüllvorgang.
Diese prozessintegrierte Behälterproduktion wäre vor der Erfindung der PET-Flasche vor ca. 40 Jahren als Utopie belächelt worden. Sie bestätigt das zweite Clarkesche Gesetz: „Wenn ein angesehener, älterer Wissenschaftler behauptet, dass etwas möglich ist, hat er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit recht. Behauptet er, dass etwas unmöglich ist, hat er höchstwahrscheinlich unrecht.“
Analog dazu gilt: Was heute noch unmöglich scheint, muss es nicht notwendigerweise für immer bleiben. Von der Grundstofferzeugung über die Verarbeitung bis zur Verwertung nach der ersten Nutzung bieten die Kunststofftechnologien viele Gelegenheiten, bisherige Unmöglichkeiten zu überdenken und möglicherweise zu beseitigen.
Das Jahrhundert der Kunststoffe
Die Kunststoff-Geschichte begann 1860, also vor mehr als 150 Jahren. Damals stellte der Brite Alexander Parkes auf einer Messe Muster einer durch Polymerisation entstandenen Materie vor. Bis heute noch verwendete Kunststoffe erstmals industriell hergestellt werden konnten, vergingen 60 Jahre. Richtig eingeläutet wurde das Kunststoffzeitalter vor rund 100 Jahren.
1907 behandelte der Chemiker Leo Hendrik Baekeland in einem selbst konstruierten Autoklaven eine Mischung aus Phenol und Formaldehyd mit Zusätzen von Asbest. So entstand ein bräunlicher Stoff, der sich thermisch gut in Form bringen formen ließ. Er war zudem mechanisch sehr belastbar, hitze- und säurefest und ein guter Isolator. Deshalb wurde das ab 1910 großtechnisch hergestellte Material zum ersten vollsynthetischen, industriell produzierten Kunststoff. Von seinem Entdecker nach sich selbst benannt, verwendete man Bakelit jahrzehntelang als führenden Gehäusewerkstoff für Elektrogeräte vom Föhn über Telefone bis zu Radios, aber auch z. B. für Schalter und Steckdosen.
Heute spielt Bakelit keine Rolle mehr. Das liegt an der bereits erwähnten Möglichkeit der vollsynthetischen Herstellung aus Erdöl, die zur Verbreitung kostengünstiger Kunststoffe ab Ende der 1950er Jahre geführt hat. Wegen mancher Mängel gegenüber den Materialien, die sie ersetzten, erzeugten diese frühen Kunststoffe ein geringwertiges Image von Gegenständen aus dem Material, das oft wegen seiner Formbarkeit als „Plastik“ bezeichnet wurde.
Die Geschichte hat gerade erst begonnen
Zwischenzeitlich ist eine ungeheure Vielzahl von Kunststoff-Materialien entstanden, deren Eigenschaften sie für ebenso vielfältige Anwendungen qualifiziert. Von Küchenschwämmen aus Polyurethan über durchsichtige Gegenstände aus Plexiglas, Gebäudeisolierungen aus Styropor oder nicht-haftenden Beschichtungen aus Teflon sind viele Kunststoffe heute unverzichtbare Bestandteile unserer Umgebung. Dabei sind seit damals sind gerade einmal 60 Jahre vergangen. Eine beeindruckende Entwicklung, vergleicht man sie mit der von Stahl, den das Volk der Hethiter in der heutigen Türkei bereits vor ca. 3500 Jahren für die Waffenerzeugung verwendete.
Die Entwicklung der Kunststoffe geht munter weiter. Da entstehen z. B. Hochleistungspolymere, die hohe Temperaturen vertragen und daher in weiteren Einsatzgebieten teure oder schwer zu verarbeitende Naturstoffe ersetzen können. Im Jahr 2000 ging der Chemie-Nobelpreis an Forscher, die einen Weg gefunden haben, leitfähige Polymere herzustellen. Und das sind nur zwei Beispiele von vielen, wie laufend Kunststoffe mit noch mehr Spezialisierung oder noch besserer Kombination von Eigenschaften entstehen. Oder solche, die statt aus fossilen aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und die am Ende ihrer nutzbaren Lebensdauer in den Kreislauf der Natur zurück geführt werden können.
Ein Stoff wie das Leben
Apropos Natur: Viele wissen es nicht, aber Polymere kommen auch in der Natur vor. Tatsächlich enthält jedes Lebewesen ein recht großes Polymer. Es handelt sich um die Desoxyribonukleinsäure (DNS; oft auch – aus dem Englischen – DNA).
Die Zusammensetzung dieser oft sehr langen Molekülkette definiert viele Eigenschaften ihres Trägers. Kein Wunder also, dass Polymerforscher aus unterschiedlichen Fachgebieten, vor allem Chemiker, deren Grundprinzip zu kopieren. Ihr Ziel ist, Art und Abfolge der unterschiedlichen Monomere in einem komplexen Polymer bewusst zu steuern. So könnten sie neue Materialien mit bestimmten gewünschten Eigenschaften schaffen. Dabei sind der Phantasie ebenso wenig Grenzen gesetzt wie bei der Produktion und Verarbeitung der neu gewonnenen Materialien.
Bei manchen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben hat man das Gefühl, sie lassen sich vom dritten Clarkeschen Gesetz leiten. Es lautet: „Der einzige Weg, die Grenzen des Möglichen zu finden, ist, ein klein wenig über diese hinaus in das Unmögliche vorzustoßen.“ Chemiker und Verfahrenstechniker beschäftigen sich z. B. mit Möglichkeiten, einmal gefundene nützliche Polymerketten zu „klonen“, indem ihre Einzelmoleküle gleichartige Monomere zum Andocken motivieren. So entsteht nach und nach eine Doppelkette, die sich zur weiteren Verarbeitung auch wieder trennen lässt.
Mit Kunststoffen die Welt formen
Was immer an neuen Materialien erdacht oder zufällig gefunden, entwickelt und produziert wird: Seinen Nutzwert erhält der Kunststoff dadurch, dass er in Form gebracht und zu nützlichen Produkten verarbeitet wird. Ein Besuch der Kunststoff-Fachmesse K im Herbst 2016 zeigte eindrücklich, dass die Kunststoffverarbeitung eine Zukunftsindustrie ist, die weiterhin starke Wachstumstendenzen aufweist.
Auch wenn in den vergangenen Jahren viel von der additiven Fertigung mittels 3D-Druck die Rede war, ist sie nur eine von zahllosen Methoden der Kunststoffverarbeitung. Analog zur Materialentwicklung ist auch hier zu erwarten, dass viele der noch verhältnismäßig jungen Verfahren enorme weitere Entwicklungen durchmachen werden, und dass noch einige neue dazukommen werden. Gleiches gilt für die Verfahren zur Entsorgung und Wiederverwertung von Kunststoffen.
Alle Teilbereiche der Kunststofftechnologien bieten spannende, lohnende und zukunftssichere Betätigungsfelder für junge Menschen ohne zu viel Scheu vor dem aktuell noch Unmöglichen, dafür mit Phantasie und kreativer Energie.
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